Zeitenwende - WendeZeiten  - Weihnachtszeit

 

Die Adventszeit – warten auf die Ankunft des Herrn. Sie hat auch eine besondere Überschrift: Rechnen mit dem Ernstfall. Darauf sind heutige Menschen nicht sonderlich eingestellt. Die Spaß-Gesellschaft lässt den Ernstfall eigentlich nicht zu. Die Spaß-Industrie tut das ihre dazu, damit möglichst keine Unstimmigkeiten passieren. Sie will in jeder Hinsicht der menschlichen Veranlagung entsprechen, die auf „panem et circenses“ angelegt ist. Wer „Brot und Spiele“ bietet, gilt als cool, als super; hat die beste Chance auf Applaus und Zustimmung der Massen.

Aus der Zeit vor ca. 3000 Jahren wird uns schon ein klassisches Beispiel überliefert. Die Menschen erlaubten sich ohne Denken und Nachdenken den größtmöglichen Spaß. Nur einer war da, der eine Naturkatastrophe rechtzeitig kommen sah: Noah. Er baute eine Arche, um sich und andere im Ernstfall frühzeitig in Sicherheit bringen zu können. Er wurde von den anderen verlacht und verspottet, bis jede Rettung für sie zu spät war (Gen 6.11ff; 7.7-23).

Die Adventszeit richtet den Blick auf das mögliche Ende der Welt. Dann wird es sein wie in den Tagen des Noah, schreibt Matthäus (24.37-39). „Die Menschen vor der Flut aßen und tranken und heirateten bis zu dem Tag, an dem Noah in die Arche ging und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte. So wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein...“

Das von Menschen verursachte „Ende der Welt" wird von Naturforschern und Atomphysikern seit langem als reale Möglichkeit geschildert. Wenn das ungeheure Zerstörungspotential in die Hände von Terroristen gelangt - umso schlimmer. Dann könnte das Ende noch schneller und unvorhersehbarer sein. Dabei ging es weder damals noch geht es heute darum, Angst, Schrecken und Panik zu verbreiten. Aber damals wie heute wird die Gefahr beschworen, dass Menschen in einer Amüsier- und Konsumgesellschaft unwillig und unfähig werden, den „Ernstfall" überhaupt in Erwägung zu ziehen. Sie sind viel zu süchtig nach augenblicklichen Effekten. Deshalb die Mahnung der Adventszeit: „Seid nüchtern und wachsam. Ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt. Wenn er plötzlich kommt, soll er euch nicht schlafend antreffen..."(Mk 13.33-37).

Solche Aussagen weisen auf die Tiefendimension irdischer Existenz hin, die durch Oberflächlichkeit oder Events nicht zu bewältigen ist. Sie meinen die Realität des Bösen, die im Menschen angelegten Möglichkeiten zum Banalen und Brutalen. Beim Wachsam sein geht es um den Ernst der Lage, in der sich die Welt existentiell befindet und die plötzlich eintreten kann: Als Schauplatz zwischen Glaube und Unglaube, zwischen Gott und modernen Göttern, zwischen edlem Humanismus und zerstörerischer (Be)Triebsamkeit.

An Weihnachten ist dann Mensch-Werdung das Thema. Wenn ein Kind geboren wird, ist es dann schon ein Mensch? Auf jeden Fall am Anfang ein „Mängelwesen" mit der Grundbefindlichkeit, absolut hilflos, abhängig, den ersten Bezugspersonen ausgeliefert zu sein. Je nachdem, wie diese emotionale und faktische Abhängigkeit ausfällt, kann sich der junge Mensch zu einem Helden oder Taugenichts entwickeln, zu einem Heiligen oder Verbrecher.

Die Pisa-Studie sagt über die heutige Erziehungskatastrophe, dass in Elternhaus und Schule schon sehr früh die entscheidenden Weichen gestellt werden: Zum Herumhängen, zu viel Essen und Trinken, reichlich Fernsehen, Surfen im Internet, Shopping, Sexualität, Psychopharmaka und Super-Aktionen. Alles muss „mega cool" sein, muss Spaß (Fun) machen. Was dabei auf der Strecke bleibt, seien wachsendes Selbstwertgefühl, Kommunikationsfähigkeit in Gemeinschaft, Lernbereitschaft, Konzentrationsfähigkeit, Antriebsstärke, Motivation zu eigener Verantwortung auch für andere, Perspektivlosigkeit im Blick auf die Zukunft. Jugendliche in unserer Gesellschaft gelten als Spitzenreiter in den Spezial-Disziplinen Alkoholkonsum, Rauchen, Kiffen, Müdigkeit, Bewegungsmangel... So sagen es die Fachleute. Von Rechten sei überall die Rede, kaum von Pflichten: Kaum von Selbstsorgepflicht, aber von staatlicher Fürsorge; kaum von Erziehungspflicht, aber von Abschiebung der Kinder in verschiedenste Betreuungseinrichtungen; kaum von Lernpflicht, Arbeitspflicht, Fürsorgepflicht, Hilfepflicht, Mitgestaltungspflicht usw.

Wo nicht Mensch-Werdung geschieht, d.h. wachsendes Reifen und Verantworten, bereitet eine Gesellschaft ihren eigenen Untergang. Wo Kinder und Erwachsene verbindlich keine Selbstverpflichtung übernehmen im Tun und Realisieren lebenswichtiger Werte wie Liebe, Toleranz, Gemeinschaft, Team-Geist, Rücksichtnahme, Respekt vor sich und vor anderen, da gibt es statt Zukunft nur Leere und Langeweile, Gewaltbereitschaft und Brutalität. Es geht um das Erproben sinnvoller Lebensentwürfe statt um Nur-Spaß in  Betreuungs- und Unterhaltungseinrichtungen.

Im Blick auf das, was sich heute in der Welt an Kriegen und Gewalttätigkeiten abspielt, kann nicht einfach von „Froher Weihnacht" die Rede sein, sondern auch von einer recht anstrengenden und verpflichtenden Weihnachtsbotschaft. Es geht um die Menschwerdung von Menschen - ein langwieriges und mühsames Unternehmen.

Die Tendenz könnte sein, dass Gewalt und Barbarei weltweit zunehmen, wenn ethische Werte und Normen keine Verbindlichkeit für alle erhalten. Für uns Christen geht um die Einübung in Lebens- und Überlebenswerte wie: Praxis der Liebe und Gerechtigkeit, Toleranz und Gemeinschaft; Anerkennung der Gaben, Fähigkeiten und Grenzen jedes Einzelnen; spannungsreiche Auseinandersetzungen immer dann, wenn es um konkrete Schritte und Maßnahmen zur Verwirklichung von Frieden und Verständnis geht. Die Botschaft vom "Frieden in der Welt" wurde nicht in einem Palast geboren, sondern in einer Krippe - Symbol eines einfachen und anspruchslosen Lebens für alle.

Mit diesen Gedanken wünsche ich allen eine segensreiche Advent- und Weihnachtszeit.