Handeln – verwurzelt in Gott sein!

 

Im Leitbild des Kolpingwerkes Deutschland findet sich an zentraler Stelle der Abschnitt ‚Unsere Grundlagen‘ und der ist mit den Worten überschrieben: ‚Verwurzelt in Gott – und mitten im Leben‘. In diesem Abschnitt heißt es dann: „Aus dem Glauben an den einen Gott... entwickeln wir die Grundhaltungen für unser persönliches Leben und unser gemeinschaftliches Wirken.“ Im Leitbild des Kolpingwerkes Österreich finden wir das Jakobuswort „Der Glaube ohne die Werke ist tot.“

Ich finde in diesen Sätzen den wichtigsten Kernbestand unseres Glaubens aus dem sich das Handeln der Kolpingfamilien resultiert. Denn dass aus dem Glauben Taten folgen, ist nicht erst eine Ableitung unserer Frömmigkeit. Nein, die Caritas = (Nächsten)Liebe ist nicht ein Seitenarm, eine Unterabteilung, die die Kirche mit ihren tätigen Verbänden neben vielen anderen eben auch zu erledigen hat. Nein, unser Glaube ist aus seinem Innersten heraus Handeln in der Welt und für die Menschen. Christsein ist ein Tuwort, das tatkräftig unheilvolle Strukturen und Situationen zu heilen versucht.

Jesus Christus selbst hat uns diese innerste Verknüpfung von Glauben und Handeln bis ins Letzte vorgelebt. Ein Kernsatz der Botschaft Jesu und zugleich der Inbegriff seines Lebens ist die Solidarität mit den Menschen, besonders mit denen, die ausgegrenzt, behindert werden, Menschen, die am Rand stehen und keine Chance auf ein menschenwürdiges Leben haben. Jesus lebt den Menschen glaubwürdig vor, wie das gehen kann und dass es nur praktisch und konkret geht. Jesus Christus zeigt uns und lebt es vor, Menschen als Geschwister wahrnehmen, annehmen und stützen. Er verkündet nicht nur den Anbruch des Reiches Gottes. Er handelt entsprechend, er buchstabiert ganz konkret durch, was Solidarität und Sympathie heißen: Mit-Leiden, die Fähigkeit, anderes Leiden so als eigenes Leid mitzufühlen, dass man darangeht, es gemeinsam zu ändern. Fremde Lasten mit zu tragen, der Welt zu zeigen, was alles geht, wenn Solidarität geht. Denn Empfindlichkeit für das Leid der anderen und daraus erwachsene soziale Sensibilität gehört ins Zentrum dessen, was das Christentum der Welt zu geben hat.

In seiner Botschaft vom Reich Gottes hat Jesus immer wieder in mitreißenden und zum Handeln anstiftenden Bildern und Gleichnissen genau davon erzählt. Nehmen wir das Bild des „Barmherzigen Vaters“ oder bzw. des „Verlorenen Sohnes“ Lk 15,11-32: Hier wird uns durch Jesus selbst zu verstehen gegeben, auf welch heilsame Weise die Welt und menschliche Beziehungen zu verwandeln sind. Wenn sie das Gleichnis lesen wird deutlich, dass sie durchaus  als „Geschichte vom Handeln“ zu lesen ist.

Die Geschichte vom barmherzigen Vater ist ein Gleichnis, in dem die entscheidenden Wendepunkte immer dann passieren, wenn Menschen aufbrechen. Da ist zunächst der Aufbruch des unzufriedenen jungen Mannes, der weggeht, im fremden Land sein Erbteil durchbringt und sich schließlich reumütig auf den Heimweg macht. Und diese Stelle beschreibt der Evangelist nun sehr genau: „Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen, und hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ (Lk 20-21) Bevor irgendetwas gesagt wird, ist das Entscheidende längst geschehen: Die Fähigkeit des Mitleids beflügelt den Vater geradezu, mit weit offenen Armen dem Sohn entgegen zu gehen und Liebe Tat werden zu lassen.

Jesus erzählt Gleichnisse, wie Gott für uns Menschen ist, und er erzählt in diesen Gleichnissen zugleich von sich selbst, er erzählt davon, wie und dass Solidarität geht: Wie der Vater dem verlorenen Sohn freudestrahlend entgegengeht, wie er sich ihm zuwendet und ihn wieder in die Mitte der Menschen führt und ihn zur Feier des Lebens einlädt: So geht Jesus dem Verlorenen entgegen, sucht, will finden, will heimbringen. Das ist gemeint, wenn Jesus sagt: Ich bin der Weg.

In Jesu Wort und Tat spiegelt sich sein Bild von Gott, dessen Liebe ohne Maß ist. Gottes Liebe, der dem Menschen in schier närrischer Liebe wieder und wieder nachgeht, um ihn zu retten. In Jesu Person ist Gott gegenwärtig, der Verlorenem, Verirrtem, Bedrohtem nachgeht, unermüdlich sucht, bis er schließlich findet und es voller Freude heimbringt und ein Fest feiert. Durch die menschlichen Gesten und Gebärden Jesu wird Gottes Handeln am Menschen ganz gegenwärtig.

Und so gilt es auch heute für uns als Kolpingschwestern und Kolpingbrüder: Denn in menschlichen Gebärden bleibt Gott den Menschen nah! Seien wir als Kolpingfamilie sensibel, schenken wir Aufmerksamkeit und Sympathie, die Fähigkeit mitzuleiden, loszugehen dort, wo es Not tut: Denn Christen werden in der Nachfolge Jesu so wie er.

Jesus Christus ruft uns als Kolpingfamilie zusammen an seinen Tisch und lässt uns gleich aufbrechen. Er gibt uns die Kraft für den Weg. Kirche mit all ihren Verbänden und Gruppen, mit all ihren Einzel -Charakteren ist Gemeinschaft! Kirche ist Weggemeinschaft und in ihr ist die Kolpingfamilie eingebettet. Kirche lebt den Weg Jesu als Weggemeinschaft.

Was für eine treffende Beschreibung von uns als Christenmenschen, als christliche (Kolping) -Gemeinschaft und als Kirche: Das sind in der Nachfolge Jesu Menschen, die als Barmherzige den Verlorenen liebevoll entgegengehen und ohne große Worte Taten sprechen lassen, Lasten mittragen und dem Gefundenen einen neuen Ort schenken, an dem sich gut leben lässt. An solchen Orten und zu solchen Zeiten ereignet sich auch hier und jetzt der Anbruch des Reiches Gottes mitten in unserer Welt. Alles andere ist dagegen zweitrangig, denn wo das geschieht, ist der Kern der Frohbotschaft schon da. Das wäre eine wundervolle Botschaft für die Kolpingfamilie, dass wir in unserer Kirche eine Gemeinschaft sind, die vom Geist Jesu Christi so bestimmt ist, dass anderes, menschliches Leben möglich wird. Kein Mensch darf da verloren gehen und müssten wir ihm noch so weit entgegenkommen oder hinterher gehen, ihn mittragen und stützen.

Deshalb ist es auch für uns nötig und möglich, uns als Kolpingfamilie darauf zu besinnen, was Nachfolge Jesu in unserer Zeit heißen kann. Das kann an den verschiedenen Orten, an denen wir stehen, ganz unterschiedlich sein, und wir haben als Christenmenschen die Freiheit und die Herausforderung, jeweils die Zeichen der Zeit wahrzunehmen und dann im Geist Jesu entsprechend zu handeln. Und dieses Handeln wird sicher die verschiedensten Gestalten haben, immer aber, und da ist uns Jesus aus Nazareth Bruder und Lehrer, immer aber heißt Nachfolge Jesu bedingungsloser Einsatz für das Leben, gerade auch für das Leben, wo es schwach, bedroht, behindert und gefährdet ist. Adolf Kolping hat es uns vorgelebt: Christliches Leben fragt nicht zuerst, was nützt es mir, was bringt es meiner Gruppe, sondern, was kann ich für den anderen tun, wo kann ich für Menschen, die es nötig haben, der Nächste sein.