Nicht Elitebildung sondern Ermutigung Gottes!

 

Bei den vielen Predigten und Katechesen, mit denen die Gläubigen in der Kirche konfrontiert werden, stellt sich immer wieder die Frage: was bleibt davon hängen? Extrem wenig religiöses Wissen, behaupten Fachleute. Dennoch haben sich im Bewusstsein der Christen zwei verschiedene Vorstellungen von Glaube festgesetzt bzw. sind dabei, sich zu entwickeln. Die erste ist den Kirchgängern am meisten eingehämmert worden: Der Glaube an die Kirche. Er beinhaltet ihre Lehre, ihre Ämter, ihren Kult und die Sakramente. Die Vorstellung, das neue auserwählte Volk Gottes zu sein, macht die römisch-katholische Kirche zur allein selig machenden. Außerhalb von ihr gibt es kein Heil. Andere müssen sich zu ihr bekehren und – falls schon christlich – dürfen sie sich im eigentlichen Sinne nicht "Kirche" nennen.

Die Krise der Kirche in der heutigen Zeit ist eine Krise des Glaubens insofern, als dieser kirchlich festgesetzte Glaube im Schwinden ist. Im multireligiösen Umfeld angelangt, glauben die Menschen immer weniger an einen von Institutionen festgelegten Gott. Oder an Gottesbilder, die sich immer wieder anpassen. Der Zustand des Desinteresses an Katechismen und Lehrmeinungen ist erreicht. Die Sakramente sind dekoratives Beiwerk geworden zu familiären und gesellschaftlichen Feiern. Die großen Feiertage, so beliebt sie auch noch sind, prägen das Leben nicht mehr bei allen. Was von der Institution Kirche angeboten wird, bewirkt den Eindruck eines Glassturzes, der über das Leben übergestülpt wird. Er bewahrt Vieles vor allzu schneller Fäulnis, sprich der Verweltlichung. Aber er kapselt den Menschen auch ab in einem religiös-kirchlichen Raum, in einem übernatürlich geprägten Milieu, in dem so etwas stattfindet wie Gewissenberuhigung oder auch eine Abfindung Gottes.

Ohne dass dies von der Amtskirche bewusst zur Kenntnis genommen wird, hat sich ein zweites anderes Glaubensverständnis entwickelt, welches dem alltäglichen Leben Sinn und Orientierung geben könnte, wenn ihm die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt würde. Man könnte es auf die Formel bringen: Mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen; dann zeigt dir Gott, wer du bist, was du zu tun und zu lassen hast! Die Frage des zu Christus bekehrten Paulus: "Herr, was willst du, das ich tun soll"? (Apg.9,6;22,10), finden heute viele Menschen beantwortet in der Bergpredigt: Selig, die keine Gewalt anwenden; die Frieden stiften; die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten; die Barmherzigkeit üben (vgl. Mt.5,3-12).- Oder in der Gerichtsrede Jesu: Hungrige speisen, Fremde und Obdachlose beherbergen, Nackte bekleiden, Kranke besuchen, Gefangenen Mut zusprechen…(Mt.25,31ff).

Religiöse Autoritäten, die ihren philosophischen Glauben (Der oftmals vielleicht kein christlicher mehr ist!) weitgehend im Übernatürlichen, Mysteriösen verwurzelt sehen, haben oft kein Verständnis für solche Perspektiven, weil sie zu weltlich-horizontal sind. Obwohl die hl. Schrift auf jeder Seite Anstöße gibt zum Tun der Wahrheit im Blick auf Kinder, Jugendliche, Kranke, Ausgestoßene, Vergewaltigte, gesellschaftlich Verelendete und sozial chancenlos Gebliebene, werden sie, aus der Sicht des Übernatürlichen, eher als einfacher Humanismus abgetan. Und doch hat Jesus all das Gute, was von Menschen im Kleinen getan und veranlasst wird, als Samenkorn für das Werden und Wachsen des Reiches Gottes aufgewertet, als Salz der Erde, als Licht der Welt.

Dahinter steckt eine Ermutigung und Ermächtigung Gottes. Allen Menschen ist es aufgegeben, die Dinge des Lebens und des Alltags so zu tun, dass es für andere zum Segen, nicht zum Fluch gereicht. Denn was auch immer durch Menschen geschieht – es kann fülliges Licht in die Welt bringen oder geistige Hohlheit, Friedfertigkeit oder Aggression, Vorbildlichkeit im Guten oder die gefährliche Tendenz zu Gewalt und Menschenverachtung. Nicht mit leeren Worten und hohlen Phrasen, sondern durch die Art und Weise, wie sich Christen in Lebenssituationen verhalten, soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen (Mt. 5,16; 1 Petr. 2,12).

Mit diesen Gedanken der Ermutigung möchte ich sie in die bevorstehende Fastenzeit senden.