Papst Benedikt und die vielen Gesichter des Glaubens
Für Deutschland, Österreich und alle deutschsprachigen Länder war es ein sensationelles Ereignis, als nach ungefähr 500 Jahren zum ersten Mal wieder ein Deutscher Papst wurde. Der weiße Rauch aus dem Schornstein des Vatikans, das "habemus Papam", kündeten die Wahl Benedikts XVI. zum neuen Kirchenoberhaupt an. Dennoch war und ist der Jubel nicht ungeteilt.
Josef Ratzinger hatte sich
seit dem 2. Vatikanischen Konzil als ein Mann "mit zwei Gesichtern" einen Namen gemacht. Zur Zeit des Konzils galt er als äußerst aufgeschlossener, moderner Theologe und Berater des Kölner
Kardinal Frings. Seit den "wilden 68ger Jahren" war er, offensichtlich geschockt von der "neuen Elite" Jugendlicher, ins konservative Lager umgeschwenkt. Er hat in der Folgezeit maßgeblich dazu
beigetragen, dass die große Mehrheit der Konzilsteilnehmer von einer kleinen, aber einflussreichen Minderheit ins kirchliche Abseits, in die Einflusslosigkeit, verwiesen wurde - durch
entsprechende Bischofsernennungen, Ämterbesetzungen und Ausgrenzungen. Als Vatikanischer Glaubenshüter galt er 20 Jahre lang als "Hardliner", als "Panzer-Kardinal", als Reaktionär und
"Wiederhersteller" einer angeblich besseren kirchlichen Vergangenheit.
Welches wird als Papst sein "drittes Gesicht" sein? fragt man sich nach seiner Wahl. Was an Papst Benedikt auf jeden Fall geschätzt wird, ist seine bedeutende, international anerkannte Theologie.
Er hat hervorragende Bücher geschrieben und schreibt als neuer Papst unbeirrt weiter. In diesem Punkt jedenfalls herrschen Einmütigkeit, Stolz und Bekräftigung. Seinen Kritikern hat er sein neues
Werk „Jesus von Nazareth“ in zwei gut geschriebenen Bänden entgegengestellt. Dennoch stellt sich die Frage: Ist die große theologische Intelligenz, die das abendländische Christentum schon seit
Jahrhunderten auszeichnet, heute nicht eher ein Hindernis, ein Handicap? Denn das hohe theologische Niveau hat im Umbruch der heutigen Lebensverhältnisse nicht verhindern können, dass die Kirchen
den Kontakt zur großen Mehrheit der Bevölkerung verloren haben. Auch zu der wachsenden Mehrheit von Menschen, die sich als "religiös" bezeichnen, aber keineswegs kirchlich oder konfessionell
gebunden sein wollen. Wie man den gegenwärtigen Problemen gerecht zu werden vermag - darüber streiten sich "Konservative" und "Fortschrittliche". Aber geht es wirklich nur um die Alternative:
"konservativ" oder "fortschrittlich"? Hier geht es
um die Frage, was es für Papst Benedikt zu tun gilt? Nicht aus Beliebigkeit und Laune, sondern weil die Zeit drängt.
Mir fallen dabei 5 Gedankenanstöße und Dringlichkeiten ein, die Papst Benedikt in seinem Pontifikat unbedingt angehen sollte:
Diese Dringlichkeiten sind meines Erachtens die Herausforderung seines Pontifikats, denen sich Papst Benedikt stellen muss. Dazu braucht er aber auch die Unterstützung von uns hauptamtlichen Arbeiterinnen und Arbeitern im Weinberg des Herrn. Dazu braucht es Mut, Dialogbereitschaft und auch den bewussten Willen aller Gläubigen auf dem gut gedüngten Boden der Tradition neue Pflanzen wachsen zu lassen. Ich kann nur fortschrittlich denken, wenn ich die Tradition kenne. Tradition und Fortschritt bedingen einander, auch wenn viele einseitige Kritiker das nicht wahrhaben wollen. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg mit Papst Benedikt. In der Erzdiözese Wien hat dieser Prozess mit der Apostelgeschichte 2010 bereits begonnen. „Wendepunkt der Hoffnung“ bezeichnete Kardinal Schönborn den Prozess. Vielleicht finden wir im laufenden Pontifikat Papst Benedikt XVI. viele Wendepunkte der Hoffnung für die allumfassende Kirche. Vielleicht ist das dritte Gesicht des Papstes, das Gesicht der Hoffnung und Zuversicht für die Kirche und ihre frohe Botschaft?