Weihnachtszeit – Wendezeit?

 

Die Vorweihnachtszeit beginnt bald, was sich in den Kaufhäusern durch Lebkuchen, Schokonikoläuse und preiswerten Festtagsschmuck bereits seit den letzten Oktoberwochen ankündigt. Im Christentum nennt man diese Zeit: Adventszeit. Sie hat auch eine besondere Überschrift: Rechnen mit dem Ernstfall. Darauf sind heutige Menschen nicht sonderlich eingestellt. Die Spaß-Gesellschaft lässt den "Ernstfall" eigentlich nicht zu. Die Spaß-Industrie tut das ihre dazu, damit möglichst keine Unstimmigkeiten passieren. Sie will in jeder Hinsicht der menschlichen Veranlagung entsprechen, die auf „Brot und Spiele“ angelegt ist. Wer "Brot und Spiele" bietet, gilt als cool, als super; hat die beste Chance auf Applaus und Zustimmung der Massen.

Die Adventszeit richtet den Blick auf das mögliche Ende der Welt. Dann wird es sein wie in den Tagen des Noah, schreibt Matthäus (24,37-39). "Die Menschen vor der Flut aßen und tranken und heirateten bis zu dem Tag, an dem Noah in die Arche ging und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte. So wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein... .“

Das von Menschen verursachte "Ende der Welt" wird von Naturforschern und Atomphysikern seit langem als reale Möglichkeit geschildert. Wenn das ungeheure Zerstörungspotential in die Hände von Terroristen gelangt - umso schlimmer. Dann könnte das Ende noch schneller und unvorhersehbarer sein. Dabei ging es weder damals noch geht es heute darum, Angst, Schrecken und Panik zu verbreiten. Aber damals wie heute wird die Gefahr beschworen, dass Menschen in einer Amüsier- und Konsumgesellschaft unwillig und unfähig werden, den "Ernstfall" überhaupt in Erwägung zu ziehen. Sie sind viel zu süchtig nach augenblicklichen Effekten. Deshalb die Mahnung der Adventszeit: "Seid nüchtern und wachsam. Ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt. Wenn er plötzlich kommt, soll er euch nicht schlafend antreffen..."(Mk 13,33-37).

Solche Aussagen weisen auf die Tiefendimension irdischer Existenz hin, die durch Oberflächlichkeiten und "Events" nicht zu bewältigen ist. Sie meinen die Realität des Bösen, die im Menschen angelegten Möglichkeiten zum Banalen und Brutalen. Beim Wachsam sein geht es um den Ernst der Lage, in der sich die Welt existentiell befindet und die plötzlich eintreten kann: als Schauplatz zwischen Glaube und Unglaube, zwischen Gott und modernen Göttern, zwischen "edlem Humanismus" und zerstörerischer (Be)Triebsamkeit.

Dann folgt: Weihnachten – Das Thema ist Mensch-Werdung! Wenn ein Kind geboren wird, ist es dann schon ein Mensch? Auf jeden Fall am Anfang ein "Mängelwesen" mit der Grundbefindlichkeit, absolut hilflos, abhängig, den ersten Bezugspersonen ausgeliefert zu sein. Je nachdem, wie diese emotionale und faktische Abhängigkeit ausfällt, kann sich der junge Mensch zu einem Helden oder Taugenichts entwickeln, zu einem Heiligen oder Verbrecher.

Die Pisa-Studie sagt über die "Erziehungskatastrophe", dass in Elternhaus und Schule schon sehr früh die entscheidenden Weichen gestellt werden: zum Herumhängen, zu viel Essen und Trinken, reichlich Fernsehen, Surfen im Internet, Shopping, Sex, Psychopharmaka und Super-Aktionen. Alles muss "cool" sein, muss Spaß machen. Was dabei auf der Strecke bleibt, seien wachsendes Selbstwertgefühl, Kommunikationsfähigkeit in Gemeinschaft, Lernbereitschaft, Konzentrationsfähigkeit, Antriebsstärke, Motivation zu eigener Verantwortung auch für andere, Perspektivlosigkeit im Blick auf die Zukunft...

Österreichische und Deutsche Jugendliche gelten als "Weltmeister in den Spezial-Disziplinen" Alkoholkonsum, Rauchen, Kiffen, Müdigkeit, Bewegungsmangel... So sagen es die Fachleute. Von Rechten sei überall die Rede, kaum von Pflichten: kaum von Selbstsorgepflicht, aber von staatlicher Fürsorge; kaum von Erziehungspflicht, aber von "Abschiebung" der Kinder in verschiedenste Betreuungs-Einrichtungen; kaum von Lernpflicht, Arbeitspflicht, Fürsorgepflicht, Hilfepflicht, Mitgestaltungspflicht usw.

Wo nicht Mensch-Werdung geschieht, d.h. wachsendes Reifen und Verantworten, bereitet eine Gesellschaft ihren eigenen Untergang. Wo Kinder und Erwachsene verbindlich keine Selbstverpflichtung übernehmen im Tun und Realisieren lebenswichtiger Werte wie Liebe, Toleranz, Gemeinschaft, Team-Geist, Rücksichtnahme, Respekt vor sich und vor anderen, da gibt es statt Zukunft Leere und Langeweile, Gewaltbereitschaft und Brutalität. Es geht um das Erproben sinnvoller Lebensentwürfe statt um Nur-Spaß in Abschiebungs-, Betreuungs- und Unterhaltungseinrichtungen.

Im Blick auf das, was sich heute in der Welt an Kriegen und Gewalttätigkeiten abspielt, kann nicht einfach von "Froher Weihnacht" und „Friede auf Erden“ die Rede sein, sondern auch von einer recht anstrengenden und verpflichtenden Weihnachtsbotschaft. Es geht um die Menschwerdung von Menschen - ein langwieriges und mühsames Unternehmen.

Wie gewohnt, läuten die Glocken zur Weihnachtszeit für uns  besonders feierlich. Die Herzen der meisten Zeitgenossen schlagen höher. Die große Mehrheit der eingeübten Christen und der Gelegenheits-Christen „einmal im Jahr" fühlt sich mit diesem Fest emotional besonders verbunden. In den Familien nimmt es einen festen Platz und zum Essen und Trinken viel Zeit in Anspruch. In den vollen Kirchen fehlt es nicht an Feierlichkeit, an klugen und salbungsvollen Worten über den "Frieden in der Welt" - Botschaft und Appell zugleich. Denn Beides ging von Betlehem aus, dem Kind in der Ärmlichkeit einer Krippe.

Wenn dann bald nach Weihnachten die frommen Emotionen abgeklungen sind, rückt die nüchterne Realität des Alltags wieder in den Vordergrund. Dann wird allen so oder so wieder bewusst, dass die Botschaft vom „Frieden auf Erden" bisher eine Utopie geblieben ist, eine „Fata Morgana", der man bei bestimmten Anlässen und zu bestimmten Zeiten gerne nachläuft, um sich wenigstens einige Augenblicke von deren frischen Wassern umspülen zu lassen.

Warum ist das so sehr herbeigesehnte Unternehmen „Friede auf Erden" so schwierig? Weil Botschaft und Auftrag zu Sonntagsreden degradiert wurden - bei bestimmten Anlässen zu feierlichem Getöse missbraucht. Es wird keinen Frieden auf Erden geben, wenn nicht begriffen werden will, dass diese Botschaft ein Auftrag ist - nur durch konsequente Friedensarbeit zu leisten. Bei Kindern und Jugendlichen muss sie bereits beginnen. Ernüchternd und erschreckend zugleich ist deshalb das Ergebnis einer Studie, in der es heißt, dass die meisten gestressten und vielbeschäftigten Eltern und Erzieher/Innen keinen „Kompetenz - Führerschein" besitzen. Ihnen fehlen Zeit, Mut, solide Kompetenz und Kenntnis für Erziehung und Friedensarbeit.

Die Gefahr liegt in der Luft, dass Gewalt und Unterdrückung  weltweit zunehmen, wenn ethische Werte und Normen keine Verbindlichkeit für alle erhalten. Es geht um die Einübung in Lebens- und Überlebenswerte wie: Praxis der Liebe und Gerechtigkeit, Weitergabe des Glaubens; Toleranz und Gemeinschaft; Anerkennung der Gaben, Fähigkeiten und Grenzen jedes Einzelnen; spannungsreiche Auseinandersetzungen immer dann, wenn es um konkrete Schritte und Maßnahmen zur Verwirklichung von Frieden und Verständnis geht. Die Botschaft vom "Frieden in der Welt" wurde nicht in einem Palast geboren, sondern in einer Krippe - Symbol eines einfachen und anspruchslosen Lebens für alle.

Ihnen / Euch eine nachdenkliche Vorweihnachtszeit und einen besinnlichen Advent!