Santo subito & vier Päpste!

 

In einer beeindruckenden Feier hat Papst Franziskus am 27. April 2014, dem Fest der Barmherzigkeit, in Rom seine Vorgänger Johannes XXIII. und Johannes Paul II. heiliggesprochen. Das Fest der Barmherzigkeit am früheren „Weißen Sonntag“ war eine Einführung von Papst Johannes Paul II. im Jahre 2000 nach der Seligsprechung von Schwester Faustyna. Hunderttausende waren in die Heilige Stadt gekommen, Millionen sahen via TV zu. Ein Ereignis, das es so noch nie gab. Die größte Heiligsprechungsfeier aller Zeiten. Erstmals überhaupt waren ein Papst und sein Vorgänger - Franziskus und Benedikt XVI. - zusammen bei einem Gottesdienst auf dem Petersplatz. Noch nie wurden zwei Päpste gleichzeitig als Heilige anerkannt. Einer davon im schnellsten Heiligsprechungsverfahren der Neuzeit. Papst Franziskus verlas die offizielle Formel, mit der die bislang seligen Päpste Johannes XXIII. (1958-1963) und Johannes Paul II. (1978-2005) "zur Ehre der Altäre" erhoben wurden. Damit können in aller Welt die beiden Päpste offiziell als Heilige verehrt werden. Die nun geehrten Päpste hätten, so Franziskus, in "unauslöschlicher Weise zur Entwicklung der Völker und zum Frieden" beigetragen. Diese Aussage erinnerte an die dramatische Lage im Ukraine-Konflikt, auch wenn auch der jetzige Nachfolger des Apostels Petrus sie nicht explizit ansprach!

Die Wahrung des Weltfriedens prägte das Leben beider Vorgänger. Johannes XXIII., der selbst als Sanitätssoldat die Schrecken des Ersten Weltkrieges erlebte hatte, veröffentlichte 1963, kurz nachdem sich die Großmächte in der Kuba-Krise gegenüberstanden, die bis heute beachtete Enzyklika "Pacem in terris" (Friede auf Erden). Es ist bis heute die einzige vertonte Enzyklika in der Welt durch den jüdischen Komponisten Darius Milhaud, und 1963 uraufgeführt durch den berühmten protestantischen Dirigenten Charles Munch! Johannes Paul II., bürgerlich Karol Wojtyla, der Papst aus dem damals kommunistischen Polen, trug massiv zum demokratischen Wandel in seiner Heimat und in Mittel- und Osteuropa bis hin zum Fall der Mauer bei. Die neuen Heiligen hätten die Tragödien des 20. Jahrhunderts erlebt, ohne davon überwältigt worden zu sein, so der jetzige Papst. Vorrangig hob Franziskus seine Vorgänger als mutige Zeugen der Barmherzigkeit und kirchliche Erneuerer hervor. Er nannte Karol Wojtyla den Papst der Familie. Beide hätten danach gestrebt, die Kirche in "ihrer ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen und zu aktualisieren". Spätestens da klang an, wie sehr sich der Papst aus Argentinien nicht nur als Erneuerer, sondern auch als Bewahrer in der Spur der Vorgänger sieht. Ihn prägt die Nahbarkeit und Natürlichkeit des einen, die Glaubenstiefe des anderen.

 Was sagt uns diese Heiligsprechung über die aktuelle Ausrichtung der katholischen Kirche?  Über die Jahrhunderte gibt es nur ganz vereinzelt mal einen heiligen Papst. Und auch mal 100 Jahre gar keinen. Und jetzt, seit Mitte des 19. Jahrhunderts, ist jeder zweite Papst entweder selig oder schon heilig gesprochen, oder der Prozess wird vorbereitet. Es gibt also, was die Päpste angeht, eine Inflation von heiligen Päpsten. Und das kann auch ein bisschen problematisch werden. Denn was prädestiniert einen Papst, ein heiliger Papst zu sein - gegenüber einem katholischen Arbeiter, der katholische Vorstellungen mit seiner Tätigkeit im Betrieb verbindet? Insofern ist klar: Wenn Päpste heiliggesprochen werden durch Päpste, ist das auch eine Selbstinszenierung des Papsttums als einer heiligen Institution. Und wenn wir jetzt gleich zwei Heiligsprechungen haben, dann ist das eine geschickt gemachte Sache. Es geht da um zwei unterschiedliche Verwirklichungen des Petrusamtes. Hier der eher gemütlich wirkende Johannes XXIII., der das Konzil einberufen hat, für Reformen in der Kirche steht, dafür, die Türen aufzureißen und Luft rein zu lassen. Und auf der anderen Seite Johannes Paul II. mit seiner unbestreitbaren Rolle bei der politischen Einigung Europas einerseits, andererseits aber mit seiner strikten Ausrichtung der Kirche wieder nach Rom, mit der Ausübung dieses Reisepapsttums und mit einer starken medialen Präsenz. Wenn Franziskus die beiden Päpste zugleich heilig spricht, versucht er alle Erwartungen zu befriedigen. Er will die beiden komplementär verstanden wissen. Er verrät ein Stück weit sein Amtsverständnis:  Beide Verfahren zur Heiligsprechung hat er von seinem Vorgänger Benedikt XVI. übernommen. Dass aber Papst Franziskus sie zusammenbindet, dass ist entscheidend! Er hätte ja sagen können: 'Gut, jetzt kommt das Santo Subito für Johannes Paul II. und das  mach' ich jetzt allein.' Dann hätte das bedeutet, dass man sagt, das ist die Ausrichtung, für die Franziskus steht. Indem er Johannes XXIII. dazu nimmt, macht er die ganze Sache eigentlich katholisch, also katholon - gemäß des Ganzen, umfassend. Er sagt nicht: 'Päpste müssen so sein wie Johannes Paul II', sondern: 'Die können auch so sein wie Johannes XXIII.' Franziskus selbst hat ja, wie er mal in einem Interview bekannte, überlegt, sich Johannes XXIV. zu nennen.

Die gleichzeitige Heiligsprechung sagt programmatisch Einiges über das aktuelle Pontifikat von Franziskus aus: Am Ende des Heiligsprechungsprozesses entscheidet der Papst allein und souverän. Insofern ist klar, dass die Art und Weise der Heiligsprechung und die ausgewählten Personen für ein Programm stehen. Franziskus setzt sich keiner Kritik aus. Er sagt: 'Ich bin für den Santo subito. Das ist der Wunsch von vielen gewesen, die bewundern, wie er sein Leiden und sein Sterben angenommen hat als Papst.' Er empfiehlt Johannes Paul II. als Vorbild. Und andererseits hat er auch den Johannes XXIII. mit drin. Und sagt damit: 'Konzil, Öffnung des Konzils zur Welt, Umsetzung der Reformen des Konzils. Dafür stehe ich auch!'

Das ist die Spannung, in der das ganze Pontifikat Franziskus steht: Wird sich die eine oder die andere Richtung durchsetzen? Oder wird Franziskus versuchen, dies irgendwie auszutarieren? Wie werden seine Kurie, seine engsten Mitarbeiter, seine Opponenten in der Kurie auf diesem Weg mitgehen? Mit unserem Papst kommen spannende Jahre auf die Kirche zu.

Der Frühling in der Kirche, der unter Johannes XXII. zum ersten Mal spürbar wurde, ist mit Papst Franziskus zu uns zurückgekehrt. Beten wir gemeinsam mit ihm und für ihn um auf diesen Weg weiter zu Christus zu ziehen!